Die Nachbarschaft übt draußen Böllerschießen, in meinem Feed-Reader tummeln sich seit Tagen alle möglichen und unmöglichen Best-of-Listen, und der Jahresrückblick von Austrian Fashion Net erinnert mich gerade an ein Modesymposion, das im November in Wien stattfand.
Ich war da, fand aber keine Zeit, und eigentlich auch keine Worte, um darüber etwas zu berichten. Unter dem Titel „FASHION – And How To Sell It“ hatten die veranstaltenden Förderinstitutionen departure und Unit F eine vielversprechende, ambitionierte Zielsetzung angekündigt:
Geboten wurde eine mittel interessante Zusammenstellung von Vortragenden aus der Retail- und Agenturpraxis (Sales, Presse, Styling, Messe- und Showproduktion oder auch alles in einem) die vor allem ihre eigenen Unternehmenserfolge ins Licht stellten.
Die Perspektive des Einkaufs fehlte völlig. Hier wären z.B. VertreterInnen eines der großen Department Stores mit Avantgarde-Sortiment wie etwa Barneys New York oder Selfridges London, renommierter Konzeptstores wie Colette, Maria Luisa, Browns – vom asiatischen und arabischen Markt ganz zu schweigen – sehr aufschlussreich gewesen.
Daten über Marktpotentiale, Einblicke in innovative Geschäftsmodelle, Methoden zur Erfolgsmessung oder Umsatzzahlen wurden nicht besprochen.
Und hätten da nicht Moderatorin Doris Rothauer und der Schmuckdesigner Florian Ladstätter dankenswerter und hartnäckiger Weise immer wieder nachgefragt, wäre wohl überhaupt keine einzige Zahl genannt worden.
Jetzt wissen wir immerhin, dass Pressegrundbetreuung abhängig vom abgedeckten Markt schnell mal mehrere 1000 Euro im Monat kostet und globale Unternehmen wie LVMH oder die Gucci-Group eindeutig im Vorteil sind. Nona.
Worin nun die Vorteile, also das Funktionieren der gezeigten Modelle im Hinblick auf eine fruchtbringende Weiterentwicklung des österreichischen Modeschaffens zu sehen wären, blieb leider zu vage.
Einzig der Brite Paul Hetherington setzte sich in seinem Vortrag direkt mit der österreichischen Modeszene auseinander. Anstatt über das Online-Mode-Netzwerk Showstudio, das er seit der Gründung als Creative Director maßgeblich mitgestaltet, zu sprechen, schenkte er den rund 200 anwesenden ModedesignerInnen, -interessierten und Förderinstitutionen gleich ein ganz konkretes Promotion-Konzept:
Das als 3-Jahresprojekt vorgeschlagene Zusammenspiel gespiegelter Showrooms mit Event-Schiene in London (Zielgruppe: Medien) und Wien (Zielgruppe: Endkunden) wirkte schlüssig und könnte enormes Potential entwickeln. Eine schöne Aufgabe für den Jahresbeginn 2009 wäre, das Konzept an kompetenter Stelle einmal in mehreren Varianten durchzurechnen – und nicht im Sande verlaufen zu lassen.
Etwas Hintergrundinformation über Showstudio hätte freilich auch nicht geschadet. Denn über die teilweise erschütternde Unbedarftheit im Bereich Internet bis hin zum fast völligen Fehlen strategischer Onlinekonzepte musste ich mich angesichts eines doch recht nach Avantgarde duftenden, extra eingeflogenen Podiums in Zeiten von Net-A-Porter, Etsy oder Catwalkgenius – um nur 3 Beispiele herauszupicken – schon sehr wundern.
Unter Medienarbeit verstanden sowohl Rike Döpp (Sales-Agentur V, Berlin) als auch Thibault Pradet (Cristofoli Press, Paris) selbstverständlich Print, gemessen wird immer noch an der Anzahl von Clippings.
Den Vogel schoß aber Vidya Narine (Le New Black, Paris) ab, die auf die Frage, was an Research für ihren Online-Order-Showroom betrieben wurde, antwortete: „I had an illumination.“ Mehr fiel ihr dazu nicht ein. Und so in etwa sah die gezeigte Shopoberfläche auch aus.
Am 12.11. fand im Wiener MAK ein Mode-Symposion mit dem Titel „FASHION – And How To Sell It“ statt. Zu Gast waren:
Lennart Jondral, berlinerklamotten, Berlin (D)
Kalle Tollmar, +46, Stockholm (S)
Rike Doepp, Sales-Agentur V, Berlin (D)
Thibault Pradet, Cristofoli Press, Paris (F)
Paul Hetherington, SHOWstudio, London (GB)
Vidya Narine, LE NEW BLACK, Paris (F) Moderation: Doris Rothauer (A)
Veranstaltet von departure, unit-f, in Kooperation mit Austrian Fashion Net.
- Daniel Kalt hat auf Austrian Fashion Net ausführlich über das Symposion berichtet.
- Und Stephan Hilpold hat Christoph Thun-Hohenstein, Geschäftsführer von departure für den Standard gefragt, was das Wiener Modesymposium eigentlich gebracht hat.