Was die beiden Kuratorinnen Brigitte Felderer und Eva Blimlinger unter einer „ironischen, historischen, gegenwärtigen und kritischen“ Beschäftigung mit den Zusammenhängen von Kleidung und Politik verstehen, ist mir auch nach dem Besuch der Ausstellung „Mode und Verzweiflung“ nicht ganz klar. Der intellektuelle, konzeptive und künstlerische Aufwand, der vermutlich hinter jeder präsentierten Installation steht, offenbart sich in der Umsetzung nicht unbedingt.
Stephanie Senge hat zum Beispiel ein recht dekoratives Riesen-Ikebana mit Versatzstücken wie Lackpumps und Nadelstreifhosen aus dem Sonderangebot gebaut. „Ike-Mariahilferstraße“ soll Dress Codes als Prozesse einer Konsumwelt sichtbar machen: „Die Bedeutung von Kleidung wird nicht von einer politischen Klasse getroffen, sondern von der Allgemeinheit, mit ihren alltäglichen Entscheidungsprozessen.“ Das war aber auch so klar, denn anders könnten Wahlberechtigte wohl kaum die Codes verstehen oder Mitglieder der Allgemeinheit sich mit in der Politik Tätigen identifizieren.
Anette Schwaber ließ für ihre Dia-Show „Wir verheimlichen nichts“ Zeitungen drucken mit doppelseitig aufgerasterten und vergrößerten Pressebildern von Politikern und Politikerinnen – gezeigt wird nur ein Ausschnitt, der Oberkörper ohne Kopf. Zeitungslesende werden so zur lebendigen Kollage, die scheinbar gewohnte Formen politischer Berichterstattung hinterfragt.
Ähnlich geht das – anscheinend unvermeidliche – Kuratorinnen-Exponat „Paßt! Eine kurze Modegeschichte der II. Republik“ an das Thema heran: Auch dieses Video zeigt in einer Abfolge von Bildern die historische Personen der politischen Öffentlichkeit quasi anonymisiert, mit ausgegrautem Gesicht. Man meint trotzdem alle zu kennen…
Weiters vertreten:
- Koki Tanaka mit Cleaning up the city hall by using politican’s clothes – aha, Herr Zinggl trägt also Burberry!
- Manuel Graf, Tegotexo, work in progress – folkloristische Auseinandersetzung mit der Naht an sich.
- Bogomir Doringer, Fashion and dispair/Bogomir II Doringer, work in progress – ein paar alte Fotos in Vitrinen rechts hinten im Eck zum Thema Privatheit und Öffentlichkeit.
- Philip Mann, L’Anglais décrit le chateau fermé – Gespräch mit Michel Würthle im schäbigen Loos-Salon über schwarzen Tweed.
Insgesamt wirkt alles sehr low budget und zufällig zusammengestellt. Die Zusammenhänge zwischen Kleidung und politischer Bühne könnten gerade durch den Blick von Außen – die Künstlerinnen und Künstler nehmen am Artists-in-Residence Programm des quartier21 teil – spannende Aspekte sichtbar machen. Das ist jetzt – auch wenn das natürlich in der Planung noch nicht absehbar war – im Vorfeld zu den Nationalratswahlen besonders schade.
Von Brigitte Felderer, die mit der Aufarbeitung zu dem 1938 aus Österreich vertriebenen Modevisionär Rudi Gernreich Furore gemacht hat und der Historikerin und ehemaligem Mitglied der Historikerkommission Eva Blimlinger hätte ich mir mehr Prägnanz erwartet.
Die Ausstellung Mode und Verzweiflung ist noch bis 2. November im Freiraum/quartier21 im Wiener Museumsquartier zu sehen, täglich 10 – 20 Uhr, Eintritt frei.
Ausführliche Werk-Biographien der Künstlerinnen und Künstler sind hier zu finden.
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